Foto: Umbilicaria cylindrica Laufbacher Eck
Fransen-Nabelflechte (Umbilicaria cylindrica
[Wolfgang von Brackel]   

Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle 2 Arten der Kalkfelsen vorgestellt, dieses Jahr sind es eine Flechte und ein Moos der Silikatfelsen. Während Kalkfelsen einen ziemlich einheitlichen Chemismus aufweisen – sie bestehen hauptsächlich aus sedimentiertem oder in Riffen abgelagertem Calciumkarbonat, bei Dolomit auch mit Magnesiumkarbonat – stellen die Silikatfelsen eine breiter gefächerte Gruppe dar. Zum einen ist ihre Entstehung heterogener (Sediment-, Erguss- und Tiefengesteine), zum anderen sind sie komplexer zusammengesetzt. Siliziumdioxid ist immer beteiligt, daneben können aber auch Feldspate, Glimmer und eine Vielzahl anderer Mineralien oder kalkhaltige Bindemittel auftreten.

Dementsprechend vielgestaltig ist auch die Moos- und Flechtenflora der Silikatfelsen. Mineralreiche Silikatfelsen der Hochlagen tragen in Mitteleuropa wohl die artenreichsten Kryptogamengesellschaften und bieten dem Betrachter ein buntes, vielfältiges Bild. Erst fallen einem die leuchtend grüngelben Landkartenflechten (Rhizocarpon) ins Auge, dann Laubflechten der Sammelgattung Parmelia, Strauchflechten der Gattungen Stereocaulon, Sphaerophorus, Cetraria und Cladonia sowie eine Vielzahl von unterschiedlich gefärbten Krustenflechten etwa aus den Gattungen Aspicilia, Lecidea, Lecanora oder Acarospora. An den Steilflächen siedeln Nabelflechten der Gattung Umbilicaria, zu der unsere Flechte des Jahres 2018 gehört, Umbilicaria cylindrica.

Unter den Polstermoosen tritt eine Vielzahl von Arten der Gattung Grimmia neben Andreaea-, Schistidium- und Tortula-Arten auf. Häufig sind auch mattenbildende Arten der Gattung Racomitrium sowie Hedwigia ciliata oder Paraleucobryum longifolium. Geschützt in Spalten finden sich Besonderheit wie Arten der Gattungen Anastrophyllum oder Kiaeria. Zur bei uns nur mit 4 Arten vertretenen Gattung Bartramia gehört unser Moos des Jahres 2018, Bartramia pomiformis.

Wie auch bei den Kalkfelsen müssen die Besiedler von Silikatfelsen – insbesondere der steilen und besonnten Partien – mit extremen Bedingungen zurechtkommen. Die Gluthitze an sonnigen Sommertagen wechselt mit extremer Kälte in wolkenlosen Nächten und Durchnässung bei Regen mit völliger Austrocknung in Trockenperioden.

Ein Polster vom Echten Apfelmoos (Bartramia pomiformis) aus dem Bayerischen Wald an der Steilfläche eines Pfahlschieferfelsens. Foto: W. von Brackel 
Ein Polster vom Echten Apfelmoos (Bartramia pomiformis) aus dem Bayerischen Wald an der Steilfläche eines Pfahlschieferfelsens.   

In den Mittelgebirgen stellt sich die Situation der Silikatfelsen und Blockschutthalden noch relativ stabil dar, auch wenn ihnen hier Tourismus und Forstwirtschaft zusetzen und Klimawandel sowie der Eintrag von Stickstoffverbindungen durch die Luft sicher zu schleichenden Veränderungen ihrer Zusammensetzung führen. Dramatischer sind allerdings die Verluste und Veränderungen im Hügel-und Flachland, wo Straßen- und Siedlungsbau sowie die Landwirtschaft schon zum Verlust einer Vielzahl von Standorten geführt haben.

Wegen der starken Bedrohung der Lebensgemeinschaft der Silikatfelsen sind diese, wie auch die Silikat-Blockschutthalden, im Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU aufgeführt (LRT 8220, Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation, 8230 Silikatfelsen mit Pioniervegetation, 8110 und 8150 Silikatschutthalden der montanen bis nivalen bzw. der kollinen bis montanen Stufe). Diese Lebensraumtypen sind "Natürliche Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen".