Das Einseitswendige Verstecktfruchtmoos, Cryphaea heteromalla, ist das Moos des Jahres 2019

Das Einseitswendige Verstecktfruchtmoos wächst in kleinen Polstern an der Rinde von Laubgehölzen, gerne an Holunder, an Orten mit ausreichender Luftfeuchtigkeit.

Aussehen

Cryphaea heteromalla bildet lockere Polster aus einem kriechenden, dem Untergrund anliegenden Primärspross und schräg vom Substrat aufgerichteten, kaum verzweigten Ästen. An kurzen Seitentrieben entwickeln sich die die von lang ausgezogenen Hüllblättern überragten, länglich eiförmigen Kapseln mit einer zugespitzten Haube. Die kapselragenden Seitenzwiege stehen oft in kleinen Grüppchen in enger Nachbarschaft an einer Seite des Zweiges. Die in trockenem Zustand anliegenden, feucht abstehenden Blätter sind breit eiförmig, gleichmäßig zugespitzt und ganzrandig. Die kräftige Blattrippe erlischt vor der Blattspitze. Fruchtende Exemplare sind unverkennbar, sterile müssen sorgfältig von Leskea polycarpa unterschieden werden.

Verbreitung und Gefährdung

Die (sub)mediterran-(sub)atlantische Art kommt rund um den Atlantik auf der Nordhalbkugel vor, in Europa vor allem im westlichen und südlichen Teil. In Mitteleuropa erreicht sie die Ostgrenze ihrer Verbreitung. Als Atlantiker ist sie in den Niederlanden eine weit verbreitete und gewöhnliche Art. In Deutschland ist sie bereits sehr selten in den östlichen Bundesländern. In Polen wurde sie 2017 erstmals gefunden, Nachweise aus Österreich und Tschechien fehlen dagegen (noch?). Höhere Gebirge meidet sie offensichtlich, auch wenn sie neuerdings aus Mittelgebirgen wie demdem  Harz oder Erzgebirge gemeldet wurde.

In den letzten Jahren häufen sich Fundmeldungen der Art, sie scheint sich in Ausbreitung nach Osten zu befinden. So galt sie in der Schweiz Ende des letzten Jahrhunderts noch als Rarität, seitdem sind viele Neufunde bekannt geworden. Es wird diskutiert ob die Ausbreitung der Art mit dem Klimawandel oder der Änderung der Luftqualität (Abnahme der SO2-Emissionen, Zunahme der NOx-Emissionen) zu tun hat. Sie gilt als ausgesprochen empfindlich gegenüber der Luftverschmutzung; so hat sie sich im Laufe des 20. Jahrhunderts in den Niederlanden aus dem Landesinneren in die küstennahen Gebiete zurückgezogen, wo die Luft durch den Seewind sauberer ist. Im Landesinneren, wie auch im Westen Deutschlands zu dieser Zeit, wurde sie selten und wenn dann vor allem auf basischen Gesteinen und Beton gefunden; diese Unterlagen vermögen die Wirkungen der aus den Schwefeloxiden gebildeten Säuren zumindest abzupuffern. Wahrscheinlich ist ein Zusammenwirken der Faktoren Klimaerwärmung, Abnahme der giftigen SO2-Emissionen und Zunahme der düngenden NOx-Emissionen.

Das Holundermoos, wie es etwas weniger sperrig auch genannt wird, wächst an der Rinde von Laubgehölzen, vorwiegend an Holunder, auch an Weide oder Pappel; in der Schweiz wird ein breites Spektrum an Laubbäumen und –sträuchern besiedelt, selten dagegen der Holunder. Im 19. Jahrhundert war sie noch an einer Vielzahl von Baum- und Straucharten beobachtet worden. Sie braucht lichtreich bis mäßig beschattete Lagen mit ausreichender Luftfeuchtigkeit. Vereinzelt kommt sie auch an Felsen, Mauern oder Beton vor. Sie meidet sowohl geschlossene Waldgebiete wie auch offene, windexponierte Einzelbäume.

Die Art wird in der Roten Liste Deutschlands von 1996 noch unter "stark gefährdet " (2) geführt, in der noch nicht erschienen neuen Roten Liste wird sie aber bereits als "nicht gefährdet" erscheinen. In den Listen der einzelnen Bundesländer reicht die Einstufung von "ungefährdet" bis "ausgestorben". In der Schweiz gilt sie als "verletzlich" (VU).

Wegen ihres Vorkommens an Laubgehölzen wie Holunder, Weiden und Pappeln in halbschattiger Lage ist sie sicher nicht durch mangelnde Standorte gefährdet, ein Handlungsbedarf zu ihrer Erhaltung besteht nicht.

Biologie

Die einhäusige Art fruchtet häufig und verbreitet sich durch Sporen. Über eine vegetative Vermehrung oder Verbreitung ist bei der Art nichts bekannt.

[Wolfgang von Brackel]

Cryphaea heteromalla im Internet (externe Angebote)

Fotos von Cryphaea heteromalla

Durch Anklicken der Bilder öffnet sich jeweils eine größere bzw. vollständige Bild-Version.

Cryphaea heteromalla 3 CBerg klein 
Einseitswendiges Verstecktfruchtmoos, Cryphaea heteromalla [Christian Berg].
  
Cryphaea heteromalla NJS Saarl 13mm klein 
Einseitswendiges Verstecktfruchtmoos, Cryphaea heteromalla; große Bildkante des verlinkten Bildes: 13 mm. [Norbert J. Stapper]
  
Cryphaea heteromalla, Kapseln. Foto: NJ Stapper
Einseitswendiges Verstecktfruchtmoos (Cryphaea heteromalla):  In Hüllblätter eingesenkte Kapseln ankurzen Seitentrieben; große Bildkante des verlinkten Bildes: 5,4 mm. [Norbert J. Stapper]    
 
Cryphaea heteromalla 4 CBerg klein 
Einseitswendiges Verstecktfruchtmoos, Cryphaea heteromalla; Habitus. [Christian Berg]
  
Cryphaea heteromalla 7 CBerg klein
Einseitswendiges Verstecktfruchtmoos (Cryphaea heteromalla): Kapseln an kurzen Seitentrieben. [Christian Berg]    
 
Cryphaea heteromalla Bildtafel NJS klein 
Einseitswendiges Verstecktfruchtmoos, Cryphaea heteromalla; Bildtafel: Obere Reihe: Habitus; mittlere Reihe: Blatt, Blattspitze und Blattbasis; untere Reihe: Basis eines Perichaetialblattes, Peristomzähne und Sporen. [Norbert J. Stapper]