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Stand: November 2016

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Das "Hübsche Goldhaarmoos", Orthotrichum pulchellum,
ist Moos des Jahres 2008

Die 35 europäischen Arten der Goldhaarmoose besiedeln Felsen und vor allem die Rinde von lebenden Bäumen. Viele von Ihnen standen jahrzehntelang auf den Roten Listen der bedrohten Moose, da sie sehr empfindlich auf eine Verschmutzung der Luft mit Schwefel- und Stickstoffoxyden reagieren. Sie gelten gemeinhin als schwer bestimmbar, da wichtige Merkmale nur an den Kapseln zu finden sind. Und auch dann handelt es sich zumeist um mikroskopische Merkmale, die eine sorgfältige Prüfung verlangen.

Auch das "Hübsche Goldhaarmoos" ist zunächst eher unauffällig, doch wenn seine emporgehobenen Kapseln ihre Haube ("Calyptra") verlieren und sich öffnen, um die Sporen in die Freiheit zu entlassen, dann kann es seine Identität nicht länger verbergen: die orangeroten Kapselzähne sind sehr charakteristisch, eine Verwechslung kaum möglich (siehe Foto - anklicken öffnet eine größere Version mit Habitus und Kapsel in Seitenansicht). Aber offen gestanden muss man schon sehr genau hinschauen, denn das nur wenige Millimeter große Moos ist recht selten - noch selten, sollte man sagen.

Orthotrichum pulchellum BLAM small
"Hübsches Goldhaarmoos" Orthotrichum pulchellum, peristome; Foto: NJStapper Blick auf das Peristom und in die Kapsel hinein. Die grünen Kugeln sind die nur einen 50stel Millimeter großen Moossporen, die vom Wind fortgeblasen werden.   

Orthotrichum pulchellum ist eine nordisch-ozeanische Art, die bis vor kurzer Zeit in Mitteleuropa auf die Küstenregionen von Nord- und Ostsee beschränkt war und sich derzeit nach Süden ausbreitet. Immer häufiger wird sie fernab der Küsten an Feld- und Waldbäumen nachgewiesen. Als ein Grund dafür werden Klimaveränderungen diskutiert. Aber insgesamt kommen auch andere Goldhaarmoose recht dynamisch daher: Viele Verwandte des Hübschen Goldmooses erobern derzeit als Folge verbesserter Umweltbedingungen ihre ehemals stark belasteten Standorte in den industriellen Ballungsräumen zurück. Aber keines davon hat so schöne, orangerote Kapselzähne, wie das Moos des Jahres 2008!

Die "Wolfsflechte", Letharia vulpina,
ist Flechte des Jahres 2008

Die Wolfsflechte ist schon von weitem an ihrer auffälligen, leuchtend gelben Farbe erkennbar, die sie praktisch unverwechselbar macht. Ihr gabelig verzweigtes Lager, das aus kantigen, abgeflachten Strängen besteht, kann durchaus 15 cm lang werden. In Mitteleuropa findet man sie in den Alpen in naturnahen Bergwäldern an der Baumgrenze ab etwa 1700 m an Lärchen und Zirben, aber auch auf Holzzäunen, zuweilen an hölzernen Schindeln alter Kirchen. Oft wächst sie gemeinsam mit anderen Strauch- und Bartflechten.

Sie enthält einen giftigen Inhaltsstoff (Vulpinsäure), der auf das Nervensystem wirkt. Früher wurde die Wolfsflechte insbesondere in Skandinavien zur Zubereitung von Ködern für Füchse und Wölfe verwendet, um diese Nahrungskonkurrenten zu vergiften. Mit Rentierkäse oder auch frischem Blut wurden die Köder besonders schmackhaft gemacht. Wer davon fraß, starb binnen 24 Stunden. Aber auch die Zubereitung war nicht ungefährlich: Die Flechte musste nämlich zu Pulver zermahlen und dieses in zerlassenes Fett eingerührt werden, mit Fleischstückchen darin, versteht sich. Wer nicht darauf achtete, seine Nase vor dem aufgewirbelten Flechtenstaub zu schützen, riskierte zumindest Nasenbluten.

Letharia vulpina; Foto: NJStapper Foto: Wolfsflechte Letharia vulpina, Wallis, Schweiz. Foto von Norbert Stapper, Monheim/Rhein, D.
Wolfsflechte Letharia vulpina, Wallis, Schweiz. Foto von Norbert Stapper, Monheim/Rhein, D.