Mit dem Gemeinen Weißmoos und der Echten Rentierflechte werden 2009 ein Moos und eine Flechte ins Rampenlicht gerückt, die im Anhang V der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (kurz: FFH-RL) aufgeführt sind.

Es handelt sich somit um "Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, deren Entnahme aus der Natur und deren Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können" und deren Erhaltenszustand im Rahmen eines Monitorings überwacht wird.

Weitere Anhang V-Arten sind Torfmoose, alle anderen Rentierflechten sowie weitere Arten aus anderen Organismengruppen.

Auf der Website des Bundesumweltamtes finden Sie » Generelle Informationen zur FFH-RL.

Das "Gemeine" oder "Graue Weissmoos", Leucobryum glaucum, ist Moos des Jahres 2009

Den hellgrünen, dicht kissenartigen Postern des Weißmooses begegnet man auf zweierlei Art: einmal auf mageren, gern vom Wind etwas ausgeblasenen oder geneigten Waldlandstandorten, zum anderen in Gestecken der Weihnachts- und Friedhofs-Gärtnerei. Es ist damit eines der wenigen Moose, die direkt vom Menschen genutzt werden, wenn auch nur als "Deko". Doch das Moos ist gesetzlich geschützt, sein Sammeln verboten.

Den Namen Leucobryum bzw. "Weißmoos" verdankt das Moos dem Umstand, beim Trocknen zu erbleichen. Seine großen, chlorophyllfreien, glasigen Zellen in der Blattrippe dienen als Wasserspeicher. Fallen sie trocken und füllen sich mit Luft, reflektieren sie das Licht und das Moos erblasst. Die Wasserspeicherfunktion wird noch durch die anliegenden und an der Spitze röhrig eingerollten Blätter und die dichte Polsterwuchsform verstärkt. Große Polster können mehrere Jahrzehnte alt sein!

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Gemeines Weißmoos,Leucobryum glaucum, Foto V.Wirth. Einmaliger Abdruck in naturschutzrelevanten Zeitschriften unter Angabe des Bildautors und der BLAM e.V. gestattet. Druckfähige Version laden.   

Leucobryum glaucum hat seinen Verbreitungsschwerpunkt in luftfeuchten, schwach bodensauren Landschaften, wo es neben Erde auch Torf, morsches Holz und sogar Silikatgestein besiedelt. Es ist also ausgesprochen "anspruchslos" und seinem Dasein steht also eigentlich nichts im Wege. Und doch ist es, verglichen mit den dokumentierten Massenbeständen von vor 100 Jahren, in Deutschland stark zurückgegangen. In erster Linie reagiert es empfindlich auf hohen Nährstoffeintrag, der konkurrierende höhere Pflanzen fördert, darunter Brennnessel, Brombeeren, Adlerfarn oder Gräser. Auch die Eingriffe in den Landschaftswasserhaushalt durch die Trockenlegung von Feuchtgebieten und die Störung des geschlossenen Waldklimas durch intensiven Wegebau und Holzeinschlag haben ihm zugesetzt.

Mit seiner ästhetischen Kissenform lehrt uns das Gemeine Weißmoos die Schönheit der Natur, mit seinem Namen, wie clever unsere Altvorderen die abertausenden Mitglieder der lebenden Natur zu benennen wussten. Und es lehrt uns, dass wir die Natur nur Nutzen können, wenn wir unsere Nutzobjekte auch als Schutzobjekte behandeln.

Leucobryum glaucum zur Dekoration einer Krippe, Weihnachten 2005, aufgenommen von K. Weddeling.
Leucobryum glaucum zur Dekoration einer Krippe, Weihnachten 2005, aufgenommen von K. Weddeling.   
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Leucobryum glaucum, Sumava; großes Polster über einem Felsblock; solche Poster sind schätzungsweise 50 bis 70 Jahre alt. Foto: W. von Brackel.   

Weitere Bilder des Gemeinen Weißmooses Leucobryum glaucum, Hilltal, Hohes Venn, Belgien. Habitus-, Makro- und Mikroaufnahmen. Fotos: NJ Stapper 2008.

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Leucobryum glaucum, Blattquerschnitt; Foto: NJ Stapper   
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Polster des Gemeinen Weißmooses auf Waldboden. Foto: NJ Stapper   
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Leucobryum glaucum, Habitus, feucht; Foto; NJ Stapper   
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Polster des Gemeinen Weißmooses auf Waldboden, Hilltal, Belgien.
Foto: NJ Stapper   

Die "Echte Rentierflechte", Cladonia rangiferina,
ist Flechte des Jahres 2009

Die "Echte Rentierflechte" ist eine von 6 in Deutschland vorkommenden Rentierflechten, die eine Untergruppe in der großen Gattung Cladonia bilden. Typisch für diese meist auffälligen Strauchflechten sind Röhren oder Becher, die sich über ein krustiges, die Unterlage bedeckendes Primärlager erheben. Bei den Rentierflechten ist dieses Primärlager rasch vergänglich. Man sieht daher meist nur das aus mehr oder weniger stark verzweigten Röhren bestehende Sekundärlager. Die Rentierflechten sind einander sehr ähnlich. Die Echte Rentierflechte ist grau und ihre Röhren (Podetien) verzweigen sich in 3 oder 4 ungleich dicke Äste, die an den Enden stark einseitswendig gebogen sind.

Echte Rentierflechte Cladonia rangiferina; Foto VWirth
Echte Rentierflechte Cladonia rangiferina; Foto: V. Wirth. Einmaliger Abdruck in naturschutzrelevanten Zeitschriften unter Angabe des Bildautors und der BLAM e.V. gestattet. Druckfähige Version laden.   

Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt in der borealen Zone. Dort stellen Rentierflechten eine wichtige Nahrungsquelle für Rentiere dar. In Deutschland findet man die Echte Rentierflechte kleinflächig in den Gebirgen, stellenweise auch im Flachland, wo sie aber stark auf dem Rückzug ist. In Schleswig-Holstein ist sie verschollen, und in Nordrhein-Westfalen, wo sie früher "überall gemein" verbreitet war, gibt es heute nur noch wenige Vorkommen in der Eifel oder im Sauerland. Besiedelt werden nährstoffarme sandige bis kiesige oder felsige meist trockene Böden an gut belichteten Standorten, wie Heiden, magere Stellen an Wegrändern, Silikatfelskuppen oder lichte Eichen- und Kiefernwälder.

Die Gründe für den Rückzug der Echten Rentierflechte liegen zum einen im Rückgang solcher zumeist sauren, nährstoffarmen Standorte durch z. B. veränderte Bewirtschaftungsformen, wie die Aufgabe von Heiden, aber auch in der Nährstoffanreicherung und der daraus resultierenden Förderung der Konkurrenz durch Höhere Pflanzen. Die Rentierflechten verlieren ihren Konkurrenzvorteil an den zuvor nährstoffarmen und sauren Standorten und werden von Gräsern und aufkommendem Strauchwerk überwachsen. Da Rentierflechten nur selten Fruchtkörper ausbilden, verbreiten sie sich überwiegend durch Bruchstücke, weshalb neue Lebensräume nur langsam besiedelt werden.

Cladonia rangiferina und stygia Halkova chata vBrackel
Cladonia rangiferina und C. stygia (gelblich, rechte Bildhälfte); Foto W. von Brackel.