Texte und Fotos von Wolfgang von Brackel, sofern nicht anders gekennzeichnet.
Stand: November 2010
Copyright-Hinweis: Eine Verlinkung dieses Dokumentes oder ein Abdruck der hier gezeigten Bilder in Naturschutz-relevanten Druckwerken ist bei Nennung des jeweiligen Bildautors und der BLAM e. V. ausdrücklich erwünscht!
Die Rechte an den Bildern verbleiben bei den jeweiligen Autoren. Über Belegexemplare freuen wir uns. Rückfragen zu Moos und Flechte des Jahres richten Sie bitte an Wolfgang von Brackel.
Die „Gewöhnliche Feuerflechte“, Fulgensia fulgens, ist die Flechte des Jahres 2011
Die Gewöhnliche Feuerflechte wächst in lückigen Trockenrasen auf extrem nährstoffarmen und flachgründigen Böden über Kalk- und Gipsgestein. An diesem Standort ist die Art leicht erkennbar durch ihr rosettiges, leuchtend gelbes Lager und die tellerförmigen, orangebraunen Fruchtkörper mit hellerem Rand.
Zu verwechseln ist sie allenfalls mit der wesentlich selteneren Fulgensia bracteata, die sich durch ein mehr schuppiges Lager unterscheidet. Die farblich ähnlichen Schönfleck- und Gelb-Flechten (Gattungen Caloplaca und Xanthoria) wachsen stets direkt an Gestein oder an Rinde, nicht auf dem Boden. Im englischen Sprachraum wird die Flechte bezeichnenderweise „Scrambled-egg lichen“, also Rührei-Flechte, genannt. Verbreitet ist die Art über die gesamte Nordhemisphäre, vor allem in den wärmegetönten Kalkgebieten und in den Steppen Eurasiens und Nordamerikas. Im Mittelmeerraum treten weitere, teilweise schwer zu unterscheidende Arten der Gattung hinzu.
Fulgensia fulgens ist eine der Charakterarten der „Bunten Erdflechtengesellschaft“, die die trockenen Kalk-, Löss- und Gipsböden vor allem in den Wärmegebieten Süddeutschlands, Österreichs und der Schweiz (Oberrheintal, Main- und Taubertal, Thüringer Becken, Burgenland) ziert. Neben ihr treten hier die graugrüne Toninia sedifolia, das braune Placidium squamulosum, die weiße Squamarina lentigera, die hellgrüne Cladonia convoluta und die orangefarbene Psora decipiens auf.
Die Gewöhnliche Feuerflechte ist in Deutschland so stark zurückgegangen, dass sie auf der Roten Liste als „vom Aussterben bedroht“ geführt wird, wie auch ihre Begleiter Squamarina lentigera und Cladonia convoluta, „stark gefährdet“ sind Toninia sedifolia und Psora decipiens. In der Schweiz gilt Fulgensia fulgens als „verletzlich“ (vulnerable), in Österreich als „stark gefährdet“.
Wie Kultivierungsversuche gezeigt haben, ist Fulgensia fulgens keineswegs vermehrungsunfreudig. Ihr Problem, und das betrifft auch ihre Begleiter, ist vielmehr der Verlust des Lebensraumes, das allmähliche Verschwinden der Offenbodenstellen in den Trockenrasen. Durch anhaltend hohe Nährstoffeinträge aus der Luft ("Lufteutrophierung", die eines der drängendsten, gegenwärtigen Umweltprobleme darstellt), gewinnen raschwüchsige Moose und Blütenpflanzen an Konkurrenzkraft und überwachsen die Flechtenrasen. Zudem begünstigt die weitgehende Aufgabe der Wanderschäferei das Aufkommen von Gehölzen, ebenso entfällt die Schaffung stets neuer Offenbodenstellen durch den Tritt der Schafe. Darüber hinaus wurden (und werden) kleinflächige Trockenrasen durch Flurbereinigung, Wegebau und Aufforstungen aus der Landschaft verdrängt.
Fotos von der Gewöhnlichen Feuerflechte
Aufnahmeort: Wüstphül, Mittelfranken.
Noch etwas näher herangegangen, Aufnahmeort ebenfalls Wüstphül in Mittelfranken.
F. fulgens zusammen mit Toninia sedifolia, Wüstphül in Mittelfranken
F. fulgens aufgenommen von Matthia Vust (CH)
Das „Tännchenmoos“, Thuidium abietinum, ist das Moos des Jahres 2011
Das Tännchenmoos oder Tannenmoos ist eine charakteristische Art wärmegetönter kalk- oder basenreicher Trocken- und Halbtrockenrasen. Als solche tritt es gelegentlich zusammen mit der Flechte des Jahres auf, hat jedoch eine wesentlich weitere ökologische Amplitude. Es kann sich auch in mehr oder weniger geschlossenen Halbtrockenrasen halten, wo es zusammen mit Rhytidium rugosum, Entodon concinnus, Homalothecium lutescens, Hypnum lacunosum und anderen Moosen ausgedehnte Bestände unter der Kraut- und Grasschicht bildet. Die Art ist auf der nördlichen Halbkugel weit verbreitet und findet sich auch noch, trotz ihrer Vorliebe für Wärmegebiete, hoch im Norden Europas auf Spitzbergen.
Den Namen Tännchenmoos verdankt die Art ihrem gefiederten Aufbau, der entfernt an den Zweig einer Tanne erinnert. Durch die einfache Fiederung unterscheidet sie sich von anderen Arten der Gattung, die teils in ähnlichen Lebensräumen, teils in Wäldern vorkommen. In der mikroskopischen Betrachtung sind die sehr unterschiedlich geformten Ast- und Stängelblätter, die mit Papillen besetzt sind, auffällig. Thuidium abietinum (synonym: Abietinalla abietina) und ihre Begleiter kommen in den Kalkgebieten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz noch regelmäßig und in größeren Populationen vor. Wie andere Arten der Trocken- und Halbtrockenrasen ist es jedoch durch Lebensraumverluste seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts deutlich zurückgegangen. In der Roten Liste Deutschlands wird die Art auf der Vorwarnliste geführt, in den Roten Listen vor allem der nördlichen Bundesländer auch als „gefährdet“ oder „stark gefährdet“; in der Schweiz und in Österreich gilt sie nicht als gefährdet.
Faktoren, die zum Rückgang der Art beitragen, sind einerseits das Brachfallen und die Verbuschung von Halbtrockenrasen, andererseits ihre Umwandlung in ertragreichere Mähwiesen durch Düngung. Dass diese Tendenzen in der Landwirtschaft unvermindert anhalten (Aufgabe von unrentablen Wiesen, starke Intensivierung auf günstig gelegenen Flächen), lässt für das Tännchenmoos nichts Gutes erwarten. Immerhin sind die Kalk-(Halb-)Trockenrasen als Lebensraumtyp 6210 in den Anhang der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der Europäischen Union aufgenommen worden, was für die Mitgliedsstaaten eine Verpflichtung zu ihrem Erhalt bedeutet.
Auf Renaturierungsmaßnahmen reagiert die Art ausgesprochen positiv: nach Entbuschungen und darauffolgender Mahd oder Beweidung stabilisieren sich die Bestände schnell und dauerhaft. Auch bei der Wiederherstellung von Kalkmagerrasen (etwa auf abgeschobenen ehemaligen Ackerflächen) lässt sie sich gut durch Mähgutübertragung von intakten Magerrasen ansiedeln, wenn die Böden nur nährstoffarm genug sind.
Wir verwenden Cookies, um Ihre Erfahrung auf dieser Website zu optimieren und Ihnen Dienstleistungen und Kommunikation anzubieten, die auf Ihre Interessen zugeschnitten sind. Durch die weitere Nutzung unserer Website oder mit dem Klick auf “Akzeptieren” stimmen Sie der Verwendung dieser Cookies zu. Detaillierte Informationen und wie Sie der Verwendung von Cookies jederzeit widersprechen können, finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.