Die Bildautoren sind in [Klammern] angegeben. Stand: Januar 2016
Copyright-Hinweis: Eine Verlinkung zu unserer Website bzw. direkt zu dieser Seite sowie ein Abdruck der hier gezeigten Bilder in Naturschutz-relevanten Druckwerken ist bei Nennung des jeweiligen Bildautors und der BLAM e.V. ausdrücklich erwünscht!
Die Rechte an den Bildern verbleiben bei den jeweiligen Autoren. Über Belegexemplare freuen wir uns. Rückfragen zu Moos und Flechte des Jahres richten Sie bitte an Wolfgang von Brackel.
Hochmoore stellen ganz besondere Lebensräume dar, die durch ihren eigenen, aus Regenwasser gespeistem Wasserhaushalt und speziell durch die hier herrschenden sehr niedrigen pH-Werte (in der Regel unter 3,5) und das fast vollständige Fehlen von freien Nährsalzen nur von wenigen Organismen besiedelt werden können. Wichtigster Bestandteil der Flora sind dabei die Torfmoose (Sphagnum). Diese sterben nach unten hin ab und bilden eine immer mächtiger werdende Torfschicht, die letztlich das Grundwasser vom Moorkörper trennt. Die lebenden und ein Teil der abgestorbenen Torfmoose wirken dann wie ein Schwamm, der das Regenwasser festhält. Ein wichtiger und teilweise der Hauptbestandteil der Hochmoor-Torfmoose ist das Mittlere Torfmoos (Sphagnum magellanicum), unser Moos des Jahres 2016.
Flechten finden sich in intakten Hochmooren nur in geringer Zahl, ihnen sagt die hier herrschende Nässe nicht zu; eine Ausnahme macht die parasitische Torfmoos-Wachsflechte (Absconditella sphagnorum). Sobald sich aus dem Hochmoor hebende Bulte austrocknen oder das ganze Moor durch Entwässerung zur Hochmoorheide wird, wandern Flechten ein. Auffällig sind hierunter verschiedene Arten der Rentierflechten (Cladonia spp.) oder das Isländische "Moos" (Cetraria islandica).
Auf mehr oder weniger trockenem Torf kommen auch Krustenflechten vor. Eine davon ist die Heideflechte (Icmadophila ericetorum), unsere Flechte des Jahres 2016.
Intakte Hochmoore, deren Entstehung in Mitteleuropa nach dem Ende der Eiszeiten, vor etwa 12.000 Jahren, begann, gehören zu den letzten noch weitgehend naturnahen Ökosystemen Mitteleuropas. In Deutschland haben sie durch Entwässerung und/oder Abbau bis zu 99 % ihrer ursprünglichen Fläche eingebüßt. Der abgebaute Torf wurde als Brennstoff, Dämmmaterial, Boden"verbesserer" im Gartenbau oder zu Moorbädern verarbeitet. Die abgetorften Flächen wurden anschließend land- und forstwirtschaftlich genutzt.
Glücklicherweise wurden in jüngerer Zeit die meisten der verbliebenen Restflächen unter Naturschutz gestellt, nicht zuletzt durch EU-Recht. Versuche zur Renaturierung bereits beeinträchtigter Moore zeigen unterschiedliche Erfolge. Schwierigkeiten bereiten hier vor allem der Wasserrückhalt und der Eintrag von Nährstoffen aus der Luft. Wichtig ist der Erhalt der Restmoore und die Wiederherstellung degenerierter Moorflächen nicht nur für den Naturschutz, sondern auch für den Klimaschutz: intakte Hochmoore sind effektive CO2-Senken, während degenerierte Moore große Mengen an klimaschädlichem CO2 und Methan emittieren.
Die "Heideflechte", Icmadophila ericetorum, ist die Flechte des Jahres 2016
Die Heideflechte ist mit ihrem weißlichen Thallus, der mehrere Quadratdezimeter groß werden kann, und den rosa Fruchtkörpern eine auffällige Art. Dennoch wird sie vielen Wanderern noch nicht begegnet sein, da sie sich wegen ihrer Empfindlichkeit gegenüber Nährstoffen weitgehend in die Gebirge zurückgezogen hat.
Aussehen
Das hellgraue, weißliche oder vor allem im feuchten Zustand leicht grünliche Lager bildet körnige, zusammenhängende Überzüge auf dem Untergrund. Daraus erheben sich, ohne oder mit sehr kurzem Stiel aber mit verengter Basis die nur anfangs berandeten, runden bis welligen, hellrosa bis orangerosa Fruchtkörper (Apothecien). Der photosynthetisch aktive Partner in der Flechte ist eine Coccomyxa-Alge. Die Heideflechte ist eine unverkennbare Art, sie kann allenfalls mit der in ähnlichen Lebensräumen vorkommenden Rosa Köpfchenflechte (Dibaeis baeomyces), übrigens unsere Flechte des Jahres 2010), verwechselt werden. Diese besitzt aber deutlich gestielte, hutpilzartige Apothecien. Im Zweifelsfall hilft ein Blick auf die Sporen, die bei der Heideflechte querseptiert überwiegend zwei- bis vierzellig, bei der Köpfchenflechte aber einzellig sind.
Ökologie
Die Heideflechte besiedelt unterschiedliche saure und nährstoffarme Substrate wie zerfallene Baumstümpfe, Rohhumus und Torf sowie Sandstein. Sie hat hohe Ansprüche an die Feuchtigkeit, daher ist sie vor allem an schattigen Orten hoher und vor allem gleichmäßiger Luftfeuchtigkeit zu finden. Dies sind mehr oder weniger geschlossene Wälder, Blockhalden oder offene Stellen (z. B. Torfwände) in Hochmooren und Moorheiden. Wegen ihrer Ansprüche an die Feuchtigkeit und ihrer geringen Toleranz gegenüber Nährstoffen ist sie vor allem montan bis alpin verbreitet.
Verbreitung und Gefährdung
Die in der nördlichen Hemisphäre verbreitete Art kommt in der borealen Zone bis ins Flachland, in der gemäßigten Zone vor allem in den Gebirgslagen vor. In Mitteleuropa hat sie ihren Schwerpunkt in den Alpen, wo sie auch die Kalkgebiete nicht meidet: Sie wächst hier auf den sauren Rohhumus- oder Torfauflagen über dem basischen Kalkgestein. In Deutschland war sie aus fast allen Bundesländern bekannt, ist aber in Norddeutschland regional ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. In den südlichen Bundesländern ist sie als stark gefährdet eingestuft, bundesweit inzwischen als vom Aussterben bedroht. In Österreich wird sie wegen der noch größeren Vorkommen in den Alpen nur als "regional gefährdet" eingestuft.
Biologie
Als Rohbodenbesiedler kann die Heideflechte als Pionierart gelten. Wo sie sich einmal angesiedelt hat, besitzt sie wegen des großflächigen, geschlossenen Lagers eine gewisse Konkurrenzkraft, die die Ansiedlung anderer Arten verhindert. Ein Überwachsen von außen, etwa durch Zwergsträucher, kann dadurch aber nicht verhindert werden. Die Art verbreitet sich durch Ascosporen, was ihr auch die Überwindung größerer Distanzen ermöglicht. Ascosporen sind die sexuell gebildeten Verbreitungseinheiten der (meisten) Flechten, bei der Heideflechte sind sie etwa 0,02 mm groß.
Parasiten und Medizin
Icmadophila ericetorum ist Wirtsflechte einiger flechtenbewohnender Pilze, von denen Acarosporium lichenicola und Sphaerellothecium icmadophilae spezifisch nur auf ihr vorkommen. Ersterer ist aus Mitteleuropa bisher noch nicht bekannt geworden (nur Norwegen), letzterer nur aus Österreich (und einigen nordischen Ländern). Über eine medizinische Nutzung ist uns nichts bekannt.
Durch Anklicken der Bilder öffnet sich jeweils eine größere bzw. vollständige Bild-Version.
Das „Mittlere Torfmoos“ oder "Magellans Torfmoos", Sphagnum magellanicum, ist das Moos des Jahres 2016
Das Mittlere oder Magellans Torfmoos ist mit seinen großen, tief purpurroten Bulten sicher eines unserer schönsten Torfmoose. Es ist in Mitteleuropa weit verbreitet, jedoch auf Hochmoore, Hochmoorheiden und -wälder beschränkt.
Aussehen
Das Mittlere Torfmoos bildet große Bulten von bis zu einem Meter Durchmesser und darüber, die in der Sonne rötlich, weinrot oder tief purpurn gefärbt sind, im Schatten dagegen meist mehr oder weniger grün bleiben. Die Einzelpflanzen zeigen den typischen Aufbau eines Torfmooses: an einem Stämmchen wachsen etwa im Zentimeterabstand Büschel von 4(-5) Ästen, von denen 2(-3) abstehen, die anderen dem Stämmchen dicht anliegen. Am Stämmchenende treten die jungen, noch kurzen Äste zu Köpfchen zusammen. Die Äste wie das Stämmchen sind mit kleinen Blättchen besetzt, wobei die Stämmchenblätter breit rechteckig, die Astblätter breit oval sind. Als Angehörige der Sektion Sphagnum hat die Art große, hohle und breite Blättchen, die die Äste als wurmförmig geschwollen erscheinen lassen. Keine andere Art der Torfmoose zeigt diese Kombination aus kräftigen Pflanzen mit wurmförmigen Ästen und der purpurroten Färbung. Lediglich grüne Schattenformen können Anlass zu Verwechslungen geben, insbesondere mit den anderen Arten der Sektion Sphagnum. Im Zweifelsfall hilft nur ein Querschnitt der Astblätter: S. magellanicum ist durch die zentrale Lage der kleinen, grünen Zellen (Chlorozyten) gekennzeichnet, die ganz von den großen hyalinen Zellen (Hyalozyten) eingeschlossenen werden.
Vorkommen, Verbreitung und Gefährdung
Die Art ist circumpolar in beiden Hemisphären verbreitet und kommt von der borealen Region bis in die Subtropen vor. In Mitteleuropa ist sie weit verbreitet und kommt von der Ebene bis ins Hochgebirge vor. Wegen ihrer engen Bindung an die Hochmoore kommt sie im Norden in den Resten der ehemals großen Hochmoorgebiete der Norddeutschen Tiefebene vor, im Süden vor allem in den Gebirgslagen und im regen- und moorreichen Alpenvorland.
Sphagnum magellanicum ist eine Charakterart der nach ihr benannten Sphagnetalia magellanici, der rein vom Regenwasser gespeisten Hochmoore. Daneben findet sie sich gelegentlich Kesselmooren oder in Hochmoorheiden, in stark sauren Niedermooren oder in Moorwäldern. Über sehr sauren Sandsteinböden (Buntsandstein) kann sie etwa in Kiefernwäldern oder –forsten am Aufbau kleinflächiger "Hochmooranflüge" beteiligt sein. Allgemein sind die Standorte durch ein konstant hohes Wasserangebot, sehr niedrigen pH-Wert sowie geringen Mineralgehalt gekennzeichnet.
Das Mittlere Torfmoos wir in der Roten Liste Deutschlands als "gefährdet" eingestuft, wobei in den einzelnen Bundesländern große Unterschiede bestehen; so gilt es etwa im alpinen Teil Bayerns als ungefährdet. In der Bundesartenschutzverordnung ist es wie alle Torfmoose unter den "besonders geschützten Arten" aufgeführt. In der Schweiz gilt es als "potenziell gefährdet" und ist gemäß der Natur- und Heimatschutzverordnung in der ganzen Schweiz geschützt. In Österreich wird es wegen der noch größeren Vorkommen in den Alpen nur als "regional gefährdet" eingestuft. EU-weit ist es im Anhang V der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Natura 2000) verzeichnet ("Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können").
Das Überleben der Art steht und fällt mit dem Schutz von Hochmooren. Hoffnung macht, dass Hochmoore inzwischen durch Ländergesetze weitgehend geschützt sind und auch in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als "Natürliche Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen" aufgeführt sind. Der bei weitem überwiegende Teil der Hochmoore zumindest Süddeutschlands ist inzwischen in das Natura 2000-Schutzgebietssystem aufgenommen worden.
Biologie
Sphagnum magellanicum ist wie alle Torfmoose dazu befähigt, große Mengen von Wasser aufzunehmen und innerhalb der Bulten für längere Zeit zurückzuhalten. Dazu dienen ihres Zellinhaltes entleerte Zellen mit speziellen Poren, die sich sowohl in den Blättchen (Hyalozyten) als auch in der Rinde von Stämmchen und Ästen (Hyalodermis) finden. Das Anschmiegen eines Teils der Äste an den Stamm erzeugt eine Kapillarwirkung auch außerhalb der Zellen.
Durch die Fähigkeit zur Aufnahme und Speicherung von (Regen-)wasser können sich Hochmoore über den Grundwasserspiegel erheben und ihr eigenes Wasserregime entwickeln. Torfmoose schaffen sich darüber hinaus auch die ihnen zusagende saure Umgebung, indem sie Metallionen einfangen und dafür Wasserstoffionen abgeben.
Das Mittlere Torfmoos hat wie etliche seiner Verwandten zum großen Teil die Fähigkeit verloren, sich geschlechtlich fortzupflanzen. Sporenkapseln finden sich nur noch sehr selten, sollen aber in der Vergangenheit häufiger gewesen sein. So ist es weitgehend darauf angewiesen, sich durch Bruchstücke von Pflanzen vegetativ zu verbreiten; spezielle vegetative Verbreitungseinrichtungen, wie zum Beispiel Brutkörper oder Brutfäden sind jedoch nicht bekannt.
Parasiten & Medizin
Auf Torfmoosen sind eine Reihe von Pilzen gefunden worden, von denen speziell auf dem Mittleren Torfmoos Lichenopeltella palustris, Lycophyllum palustre und Pseudoplectania sphagnicola angegeben wurden. Die parasitische Pilzflora auf Torfmoosen ist jedoch bei weitem noch nicht erforscht. Interessanterweise kommt auf Torfmoosen – auch auf dem Mittleren Torfmoos – mit Absconditella sphagnorum eine der (außerhalb von Gesteinshabitaten) wenigen parasitischen Flechten vor. In der Medizin wurden Torfmoose früher als Wundverband eingesetzt. Dank ihrer hohen Wasserspeicherkapazität und dem tiefen pH-Wert, der eine antiseptische Wirkung hat, waren sie dafür besonders geeignet. Diese Wundverbände haben namentlich im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle gespielt. Heute werden Torfmoose noch in Form von Hochmoortorf, der zum größten Teil aus unvollständig zersetzten Torfmoosen besteht, eingesetzt. Dieser wird zur Linderung verschiedenster Leiden seit langer Zeit in den Heilbädern als Moorbad oder Moorpackung eingesetzt. Etliche dieser Bäder konzentrieren sich im nordostbayerisch-böhmischen Raum (Marienbad, Karlsbad, Alexandersbad), wo große Moorflächen für diese Anwendungen abgebaut wurden.
Wir verwenden Cookies, um Ihre Erfahrung auf dieser Website zu optimieren und Ihnen Dienstleistungen und Kommunikation anzubieten, die auf Ihre Interessen zugeschnitten sind. Durch die weitere Nutzung unserer Website oder mit dem Klick auf “Akzeptieren” stimmen Sie der Verwendung dieser Cookies zu. Detaillierte Informationen und wie Sie der Verwendung von Cookies jederzeit widersprechen können, finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.