Die Bildautoren sind in [Klammern] angegeben. Stand: November 2017
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Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle 2 Arten der Kalkfelsen vorgestellt, dieses Jahr sind es eine Flechte und ein Moos der Silikatfelsen. Während Kalkfelsen einen ziemlich einheitlichen Chemismus aufweisen – sie bestehen hauptsächlich aus sedimentiertem oder in Riffen abgelagertem Calciumkarbonat, bei Dolomit auch mit Magnesiumkarbonat – stellen die Silikatfelsen eine breiter gefächerte Gruppe dar. Zum einen ist ihre Entstehung heterogener (Sediment-, Erguss- und Tiefengesteine), zum anderen sind sie komplexer zusammengesetzt. Siliziumdioxid ist immer beteiligt, daneben können aber auch Feldspate, Glimmer und eine Vielzahl anderer Mineralien oder kalkhaltige Bindemittel auftreten.
Dementsprechend vielgestaltig ist auch die Moos- und Flechtenflora der Silikatfelsen. Mineralreiche Silikatfelsen der Hochlagen tragen in Mitteleuropa wohl die artenreichsten Kryptogamengesellschaften und bieten dem Betrachter ein buntes, vielfältiges Bild. Erst fallen einem die leuchtend grüngelben Landkartenflechten (Rhizocarpon) ins Auge, dann Laubflechten der Sammelgattung Parmelia, Strauchflechten der Gattungen Stereocaulon, Sphaerophorus, Cetraria und Cladonia sowie eine Vielzahl von unterschiedlich gefärbten Krustenflechten etwa aus den Gattungen Aspicilia, Lecidea, Lecanora oder Acarospora. An den Steilflächen siedeln Nabelflechten der Gattung Umbilicaria, zu der unsere Flechte des Jahres 2018 gehört, Umbilicaria cylindrica.
Unter den Polstermoosen tritt eine Vielzahl von Arten der Gattung Grimmia neben Andreaea-, Schistidium- und Tortula-Arten auf. Häufig sind auch mattenbildende Arten der Gattung Racomitrium sowie Hedwigia ciliata oder Paraleucobryum longifolium. Geschützt in Spalten finden sich Besonderheit wie Arten der Gattungen Anastrophyllum oder Kiaeria. Zur bei uns nur mit 4 Arten vertretenen Gattung Bartramia gehört unser Moos des Jahres 2018, Bartramia pomiformis.
Wie auch bei den Kalkfelsen müssen die Besiedler von Silikatfelsen – insbesondere der steilen und besonnten Partien – mit extremen Bedingungen zurechtkommen. Die Gluthitze an sonnigen Sommertagen wechselt mit extremer Kälte in wolkenlosen Nächten und Durchnässung bei Regen mit völliger Austrocknung in Trockenperioden.
In den Mittelgebirgen stellt sich die Situation der Silikatfelsen und Blockschutthalden noch relativ stabil dar, auch wenn ihnen hier Tourismus und Forstwirtschaft zusetzen und Klimawandel sowie der Eintrag von Stickstoffverbindungen durch die Luft sicher zu schleichenden Veränderungen ihrer Zusammensetzung führen. Dramatischer sind allerdings die Verluste und Veränderungen im Hügel-und Flachland, wo Straßen- und Siedlungsbau sowie die Landwirtschaft schon zum Verlust einer Vielzahl von Standorten geführt haben.
Wegen der starken Bedrohung der Lebensgemeinschaft der Silikatfelsen sind diese, wie auch die Silikat-Blockschutthalden, im Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU aufgeführt (LRT 8220, Silikatfelsen mit Felsspaltenvegetation, 8230 Silikatfelsen mit Pioniervegetation, 8110 und 8150 Silikatschutthalden der montanen bis nivalen bzw. der kollinen bis montanen Stufe). Diese Lebensraumtypen sind "Natürliche Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen".
Die Fransen-Nabelflechte, Umbilicaria cylindrica, ist die Flechte des Jahres 2018
Die Fransen-Nabelflechte ist ein leicht kenntlicher Bewohner an Silikatfelsen vor allem höherer Lagen. Ihr annähernd rundlicher Thallus ist nur an einer Stelle am Untergrund befestigt und am Rand meist mit schwarzen Wimpern gesäumt. Auffällig sind die gerillten Apothecien..
Aussehen
Das graue bis weißlich-graue Lager besteht in der Jugend aus einem annähernd rundlichen, gewellt verbogenen Lappen, der zentral am Felsen angehaftet ist. Später gliedert sich der Thallus in rosettenförmig angeordnete Läppchen auf und kann bis zu 5, in Ausnahmefällen auch 10 cm Durchmesser erreichen. Randlich ist er meist mit starren, verzweigten, schwarzen Borsten besetzt, die hellbraune bis blassrosafarbene Unterseite weist gelegentlich Rhizinen (wurzelähnliche Gebilde) auf. Auf der Thallusoberseite finden sich häufig mit einer verengten Basis aufsitzende, schwarze Apothecien (Fruchtkörper), deren Scheibe eine charakteristische Rillung aus konzentrischen Kreisen aufweist. Die Sporen sind einzellig und farblos. Der photosynthetisch aktive Partner in der Flechte ist eine einzellige Grünalge.
Von allen anderen Arten der Gattung Umbilicaria, die sämtlich an Silikatfelsen siedeln, ist die Fransen-Nabelflechte durch die randlichen schwarzen Borsten unterschieden. Diese können allerdings auch spärlich entwickelt sein oder fast ganz fehlen. Daher sollten bei der Bestimmung stets mehrere, unterschiedlich alte Exemplare untersucht werden. Morphologisch ähnlich aber ohne Borstenbesatz und mit eingesenkten Fruchtkörpern (Perithecien) ist die Gewöhnliche Lederflechte (Dermatocarpon miniatum), die an Kalkfelsen siedelt.
Die Varietäten "fimbriata" mit reichem Besatz von dunklen, allseitig ausgebreiteten Borsten und "denticulata" mit dem Thallus gleichfarbigen und in derselben Ebene liegenden Borsten sind von zweifelhaftem taxonomischen Wert5).
Ökologie
Die Fransen-Nabelflechte siedelt direkt auf nacktem, kalkfreiem Silikatfels, vorzugsweise an schrägen bis senkrechten Partien von Felsen, an gut belichteten Standorten. Sie kommt hauptsächlich in hochmontanen bis alpinen Lagen vor. Vorkommen an Sekundärstandorten wie Mauern oder Grabsteinen sind selten.
Verbreitung und Gefährdung
Umbilicaria cylindrica ist in Europa, Asien, beiden Amerika und Australien verbreitet. In Europa zeigt sie eine hochmontan-alpin-arktische Verbreitung mit einer Präferenz der Alpen und der nordischen Länder, kommt aber bis in die Gebirge Süditaliens vor. In den Schweizer und Österreichischen Alpen sowie den Vogesen und dem Schwarzwald ist sie verbreitet, in den übrigen Mittelgebirgen selten und in Norddeutschland klingt sie aus.
In Deutschland fehlt die Art in den nördlichen Bundesländern, insgesamt wird sie als "gefährdet" eingestuft. In Österreich gilt sie nicht als gefährdet und in der Schweiz ist sie sicher auch nicht gefährdet (wobei für die Schweiz gesteinsbewohnende Arten nicht in der Roten Liste behandelt sind).
Biologie
Wie andere Bewohner besonnter Felsen muss die Fransen-Nabelflechte mit extremen Bedingungen zurechtkommen. Da Flechten keinen Verdunstungsschutz besitzen, trocknen sie in der Sonne völlig aus und verfallen in einen inaktiven Ruhezustand, in dem sie nötigenfalls monatelang überleben können. Besondere Inhaltsstoffe schützen die Proteine vor Denaturierung und nach dem Wiederbefeuchten kommen rasch Reparaturmechanismen an der DNA in Gang. Vor zu starker UV-Einstrahlung schützt sie eine leichte Bereifung.
Die Art verbreitet sich durch Ascosporen, die bei der Fransen-Nabelflechte etwa 0,01 mm groß sind und dank ihrer Kleinheit über weite Distanzen transportiert werden können. Asexuelle Verbreitung ist bei der Art nicht bekannt
Parasiten und Medizin
Umbilicaria cylindrica ist die Wirtsflechte weniger flechtenbewohnender Pilze, die alle auf Wirte der Gattung Umbilicaria beschränkt sind: neben Arthonia rufidula, Clypeococcum grossum und Stigmidium gyrophorarum beherbergt sie noch je eine unbeschriebene Endococcus- und Polycoccum-Art.
Über eine medizinische Nutzung ist uns nichts bekannt, obwohl neuerdings nachgewiesen wurde, dass die Art antioxidative und antimikrobielle Inhaltsstoffe besitzt1). Bei geeigneter Zubereitung sollen Arten der Gattung essbar sein und wurden wohl in Notsituationen verspeist2)3). Eine verwandte Art, Umbilicaria esculenta aus Ostasien wird in der traditionellen chinesischen Medizin genutzt und in Japan, China und Korea gegessen4).
[Wolfgang von Brackel]
Umbilicaria cylindrica im Internet (externe Angebote)
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Das Echte Apfelmoos, Bartramia pomiformis, ist das Moos des Jahres 2018
Das Echte Apfelmoos wächst in mittelgrossen, dichten Polstern an Silikatfelsen in schattiger, luftfeuchter Lage und ist leicht kenntlich an den großen, rundlichen, weit über das Polster hinausgehobenen Kapseln.
Aussehen
Bartramia pomiformis bildet dichte, blaugrüne (bis gelbgrüne), bis zu 8 (10) cm hohe Polster, aus denen sich auf langen Seten kugelige Kapseln erheben. Die schmal-lanzettlichen, kaum bescheideten, oberwärts mit Doppelzähnen versehenen Blätter sind feucht aufrecht abstehend und trocken verbogen bis gekräuselt. Die unterseits gezähnte Rippe tritt in der Blattspitze aus. Die rotbraunen, grobwarzigen Sporen sind 16-24 µm groß. Die Art ist an der meist blaugrünen Färbung, den allmählich pfriemlich auslaufenden Blättern und den großen, runden Kapseln gut zu erkennen.
Eine Varietät "elongata" mit stärker gekräuselten Blättern und kurzen Seten kann mit Hallers Apfelmoos (Bartramia halleriana) verwechselt werden. Bei dieser Art stehen die Sporogone jedoch öfters zu mehreren. Vom in den Alpen häufigen Straffblättrigen Apfelmoos (Bartramia ithyphylla) unterscheidet sich unsere Art des Jahres durch die trocken verbogenen Blätter und das Fehlen einer weißlichen Blattscheide. Daneben kann Bartramia pomiformis noch mit Oeders Krummfussmoos (Plagiopus oederianus) verwechselt werden. Dieses kommt aber an Kalkfelsen vor und die Pflanzen sind olivgrün gefärbt.
Verbreitung und Gefährdung
Die Art ist in der temperaten bis borealen Zone der Nordhalbkugel verbreitet, wurde aber vereinzelt auch auf der Südhalbkugel nachgewiesen (Südamerika, Neuseeland). Sie kommt in fast ganz Europa vor (außer z.B. in Island). In den Silikatgebieten der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ist sie verbreitet bis zerstreut, zeigt aber große Verbreitungslücken in den Tieflagen und in den Kalkgebieten.
Das Echte Apfelmoos ist eine kalkmeidende Art und wächst in Spalten und auf Absätzen von Felsen, an Wegböschungen und steinigen Abhängen. Neben naturnahen Standorten besiedelt es auch Sekundärstandorte in Steinbrüchen oder an Einschnitten. Es bevorzugt schattige bis halbschattige, luftfeuchte Stellen, erträgt aber auch Besonnung. Die Art gilt als Charakterart des Bartramietum pomiformis, dem sie auch den Namen gibt.
Das Echte Apfelmoos wird in der Roten Liste Deutschlands auf der Vorwarnliste geführt (V), in den einzelnen Bundesländern reicht die Einstufung entsprechend ihrem Anteil an den silikatischen Mittelgebirgen bzw. Moränengebieten von ungefährdet bis "vom Aussterben bedroht" (1). In der Schweiz und in Österreich gilt die Art als nicht gefährdet.
Während für die Vorkommen in den Mittelgebirgen kein Handlungsbedarf besteht, sollte auf den Schutz der wenigen Vorkommen im Flachland Wert gelegt werden
Biologie
Die einhäusige Art fruchtet häufig und verbreitet sich durch Sporen. Über eine vegetative Vermehrung oder Verbreitung ist bei der Art nichts bekannt. Das Einkräuseln der Blätter bei Trockenheit stellt einen Mechanismus zum Hinauszögern der vollständigen Austrocknung dar, der es der Pflanze erlaubt, länger photosynthetisch aktiv zu bleiben.
[Wolfgang von Brackel]
Bartramia pomiformis im Internet (externe Angebote)
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