Unter von häufigen taxonomischen Änderungen genervten Botanikern kursiert der Spruch: „Die deutschen Pflanzennahmen wechseln von Ort zu Ort, die wissenschaftlichen Namen von Jahr zu Jahr“. Für 2022 wurden deshalb mit der Zähen Leimflechte (Enchylium tenax) und dem Sparrigen Kleingabelzahnmoos (Diobelonella palustris) zwei Arten ausgewählt, anhand derer die häufigen taxonomischen Änderungen dargestellt werden. Während die Flechte eine in Deutschland häufige, wenngleich oft übersehene Art ist, wird das auf hoch gelegene Quellfluren oder Bachränder beschränkte Moos selbst in ihren Kerngebieten in den Alpen und den höheren Mittelgebirgen immer seltener.

Seit Carl von Linné Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die Grundlagen der modernen Taxonomie entwarf, gilt für alle Organismen die binäre Nomenklatur: der zweiteilige Name jeder Art setzt sich aus der Gattung (z.B. „Rosa“ für alle Rosen) und dem Artattribut (z.B. „multiflora“ für „Vielblütige“) zusammen. Das Ziel dabei ist zum einen die Eindeutigkeit des Namens (ein international gültiger Name für jede Art) und zum anderen das Widerspiegeln der natürlichen Verwandtschaft (in der Gattung sind die miteinander nahe verwandten Arten versammelt).

Wie bei den Blütenpflanzen und in vielen Tiergruppen auch haben sich die wissenschaftlichen Namen der Arten in den letzten gut 20 Jahren vielfach geändert. Das wird oft beklagt, soll doch der wissenschaftliche Name einer Art stabil sein. Das ist der „Service“, den die Taxonomie und Systematik für andere Forschungszweige wie die Ökologie, aber auch für den praktischen Umwelt- und Naturschutz leistet. Tatsächlich hat es jedoch seit der Etablierung der binomialen Nomenklatur vor ca. 250 Jahren stets Namensänderungen gegeben. Diese waren anfangs mehr Ausdruck der unter den Koryphäen ihrer Zeit unterschiedlichen Auffassungen zu Artabgrenzung und Gattungszugehörigkeit; nicht immer liegt diese so offensichtlich auf der Hand wie etwa bei den Rosen, die auch der Laie ohne Schwierigkeiten von der verwandten Gattung Rubus (Brombeeren, Himbeeren) unterscheiden kann.

Später war es dann der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt, der zu Namensänderungen führte. Dazu trug vor allem die Möglichkeit bei, durch molekulargenetische Methoden Verwandtschaften viel eindeutiger erkennen zu können als allein durch äußere Merkmale. In den letzten 20 Jahren sind wohl so viele Namensänderungen wie nie zuvor nötig geworden – und dieser Prozess dauert noch an. Die Taxonomie der Arten, also ihre wissenschaftlich exakte und nachvollziehbare Umschreibung sowie die damit verknüpfte Klassifikation in Gattungen und Familien nach phylogenetischen Verwandtschaftsprinzipien werden heute unter Berücksichtigung morphologischer, anatomischer und molekularer Merkmale überprüft.