Makro- und Mikrofotografie von Moosen

War bei Bryologen lange sehr beliebt: Nikon Coolpix4500 mit Ringleuchte 'Coollight'; Foto: Stapper
War bei Bryologen lange sehr beliebt: Nikon Coolpix4500 mit Ringleuchte 'Coollight'; Foto: Stapper

Makro- und Mikrofotografie von Moosen ist durch den Siegeszug der Digitaltechnik nicht nur billiger, sondern auch erheblich einfacher geworden. Musste man früher erst den Film entwickeln, um das Ergebnis begutachten zu können, sieht man heute schon vor dem Auslösen der Kamera, wie das spätere Produkt (wahrscheinlich) aussehen wird. So etwa um 2000 konnte man die ersten Exkursionsteilnehmer dabei beobachten, wie sie mit kleinen Digitalkameras Nahaufnahmen von Moosen anfertigten, um sie wenig später den Umstehenden auf den kleinen Bildschirmen der Kameras sofort vorzuführen.

Besonders beliebt waren zu dieser Zeit die Coolpix-Modelle 950, 990 und deren ähnliche Nachfolger aus dem Hause Nikon, wie die hier abgebildete Coolpix 4500, die mit Hilfe einer LED-Ringleuchte hochaufgelöste Nahaufnahmen selbst unter schwierigen Geländebedingungen erlaubte (das oben gezeigte Bild von Marchantia alpestris wurde mit dieser Kamera aufgenommen). Tatsächlich war die optische Leistungsfähigkeit dieser Geräte so gut, dass mit aktuellen Kameras dieser Bauart ("Kompaktkamera") nicht selbstverständlich bessere Ergebnisse erzielt werden. Die Auslöseverzögerung der aktuellen (2009) Kameras ist allerdings viel kürzer, ebenso die Bildfolge und die Abspeicherzeit. Im Folgenden wird kein bestimmtes Kameramodell empfohlen, sondern stattdessen die erforderlichen Eigenschaften genannt.

Der Beitrag "Makro- und Mikrofotografie von Moosen und Flechten mit einer kommerziellen Digitalkamera" (Bryologische Rundbriefe 50, 3-6, der vom Server der Frankfurter Universitätsbibliothek heruntergeladen werden kann, gibt Tipps zur Auswahl der "richtigen" Digitalkamera für die Moosfotografie, zum Gelände- und Laboreinsatz bis hin zum Ausdruck der Bilder. Auch wenn der Artikel den Stand von 2001 wiedergibt, hat sich an der praktischen Handhabung einer digitalen Kompaktkamera im Gelände grundsätzlich nichts geändert. Nach wie vor sollte man auf Automatik-Funktionen der Kamera weitgehend verzichten, insbesondere automatisches Schärfen oder Steigern des Kontrastes, oder gar automatischen Weißabgleich. Die Bildsensoren heutiger digitaler Komapaktkameras besitzen meist viel mehr Bildpunkte ("Pixel"), als angesichts des tatsächlichen Auflösungsvermögens ihres Objektivs geboten ist.

Wichtiger als eine Pixelzahl über 6 Millionen ist aber die Möglichkeit zum verlustfreien Abspeichern der Bilder als elektronisches Negativ (Raw-Format) oder zumindest als *.tif oder ähnlich, Reproduzierbarkeit der Aufnahmebedingungen bzw. volle Kontrolle aller Kameraeinstellungen (Blende, Brennweite, Belichtungszeit, ISO-Empfindlichkeit, Weißabgleich), Gewinde oder Bajonett für Objektivfilter, Vorsatzlinsen oder Mikroskopadapter, Möglichkeit zur Fernsteuerung vom Computer aus - leider kann in diesem Fall bei einigen ansonsten hervorragenden Kameras nicht im RAW-Format abgespeichert werden.

Ein USB-Anschluss ist heute Standard, und für fast alle Speichermedien gibt es preiswerte Adaptoren. Makroringleuchten kann man mit weißen LEDs und entsprechend dimensioniertem Vorwiderstand selbst selbst zusammen bauen. Als Stromquelle werden heute anstelle von Standard-Mignon-Zellen oder -Akkus fast ausschließlich Lithiumionenbatterien verwendet, die leider oft nur in das entsprechende Kameramodell passen. Für den Dauereinsatz z. B. auf dem Mikroskop sollte die Kamera aus einer externen, geregelten Konstantspannungsquelle versorgt werden können. Hierzu kann auch ein Schaltnetzgeräte aus dem Elektronikhandel verwendet werden, entweder über eine entsprechende Standard-Anschlussbuchse, oder man bastelt einen Akku-Dummy mit Kabel. Solche Modifikationen im Niedervoltbereich (fast immer unter 10 Volt Gleichspannung) sind für den Bastler zwar wenig gefährlich, um so gefährlicher aber für die Kamera, die unter Verlust der Garantie rasch total zerstört werden kann. Im Zweifelsfall sollte man lieber nichts dergleichen unternehmen!

Viele Links zum Thema Kamerareparatur und Kameramodifikation findet man auf "Markus Keinaths Photo-Website". Das Objektiv von fast allen Kompaktkameras fährt beim Einschalten aus dem Gehäuse heraus und bewegt sich auch beim Zoomen und Fokussieren. Kameras mit Innenfokussierung und Innenzoom sind daher im Gelände von Vorteil, aber auch am Mikroskop, sofern man mit aufgelegter (!) Kamera durchs Okular fotografieren möchte, wie im oben zitierten Artikel beschrieben.

Je nach Fertigungsmethode der Objektivlinsen von Kompaktdigitalkameras kann man auf Mikrofotos bei hoher Vergrößerung (ab 400x) so genannte "Ringartefakte" beobachten, die wie Beugungsringe aussehen. Alle o.g. Coolpixmodelle machen das mehr oder weniger stark. Wer die Gründe hierfür erfahren möchte, sollte die Arbeit von Klaus Henkel lesen http://www.mikroskopie-muenchen.de/coolpix-artefact-report.pdf. Kameras von Canon (viele Powershot-Modelle) sind als Mikroskopkameras beliebt, weil sie den nur bei hohen Vergrößerungen störenden Nachteil nicht aufweisen und zudem anhand der mitgelieferten Software vom PC aus angesteuert werden können.

Man lese auch den Beitrag von Guy Marson im Forum Mikroskopie.de zum Thema Ringartefakte. Ernst zu nehmen ist auch sein Hinweis auf Staubpartikel auf dem Infrarot-Sperrfilter in manchen Kameras, die erst bei hohen Vergrößerungen (entsprechend extrem eng zugezogener Blende) erkennbar werden. Man sollte daher vor dem Kauf einer Kompaktkamera für die Mikrofotografie spezielle Rückgabemöglichkeiten mit dem Händler vereinbaren, denn für den "normalen" Gebrauch stören kleine Partikel auf dem Imager oder nahe davor gar nicht und sind somit schwer als Mangel geltend zu machen. Für Informationen über die Tauglichkeit aktueller Kameramodelle wird ein Besuch des Mikrofotoforums auf mikroskopie.de empfohlen.

Digitale Spiegelreflexkameras (DSLR) sind in den vergangenen Jahren immer preiswerter geworden. Fast jeder der großen Hersteller hat entsprechende Gehäuse herausgebracht.

DSLR, Balgengerät, Makroobjektiv und höhenverstellbarer Tisch; Foto: Stapper
DSLR, Balgengerät, Makroobjektiv und höhenverstellbarer Tisch; Foto: Stapper

Für welches Modell man sich entscheidet, hängt oft von der Möglichkeit ab, bereits vorhandene Komponenten daran weiter benutzen zu können.

Auch hier gilt: Alle Funktionen von Belichtungszeit über Empfindlichkeit bis Weißabgleich, verlustfreier Bildspeicherung und Spiegelvorauslösung müssen manuell kontrollierbar sein. Die vollwertige Steuerung der Kamera mittels PC ist sehr komfortabel und bei einigen Herstellern im Lieferumfang des Kameragehäuses ebenso enthalten wie Bildbearbeitungssoftware, die auch das kameraspezifische RAW-Format nutzbar macht. Auf dem nebenstehenden Foto ist eine Canon-DSLR über einen Adapterring (von Novoflex) mit einem Balgengerät von Nikon (PB6 aus den 1970er Jahren) verbunden, an dem nicht nur Optiken von Nikon, sondern auch anderer Hersteller (Olympus-Lupenobjektive...) verwendet werden können. Das Balgengerät ist an einem Stativ aus Vierkant-Aluminiumrohr befestigt in der Weise, dass die optische Achse mitten durch den darunter angebrachten Mikroskopisch eines alten Leitz-Mikroskopes verläuft. Das Einstellen des Abbildungsmaßstabes und die Grobfokussierung erfolgt mit dem Balgengerät, die Feinfokussierung mit dem alten Leitzmikroskoptisch. Die optimale Auflösung (im Fall des 2,8/55-Micro-Nikkor: Blende 4 bis 5,6) und die Schärfentiefe (wächst mit abnehmender Blendenöffnung, wobei aber die Bildauflösung ab ca. Blende 11 deutlich nachlässt) lassen sich hervorragend kontrollieren, und das Bildfeld ist ebener als mit den meisten Stereomikroskopen aus dem mittleren Preissegment - diese Geräte sind schließlich primär für die visuelle Beobachtung gedacht. Mit entsprechenden Adapterringen lassen sich die Objektive in Retrostellung verwenden, insbesondere im Fall "normaler" Objektive zu deutlich besserer Bildqualität führt. Der Sensor der auf dem abgebildeten Makrostativ montierten DSLR besitzt "nur" sechs Millionen Bildpunkte (Canon 10D), das Nachfolgermodell hatte acht und spätere noch mehr. Meist ist die Auflösung des Objektivs jedoch die limitierende Größe (kleinstes noch darstellbares Detail auf 2 bis 3 Bildpunkten abzubilden reicht völlig aus) und insbesondere im Fall von Stapelbildverarbeitung bedeutet eine geringere und dabei dennoch ausreichende Dateigröße erheblich kürzere Bildberechnungszeit! Der Vorteil neuerer Modelle liegt in der rascheren Bildübertragung und geringerem Rauschen bei höherer Empfindlichkeit des Sensors.

Für die Makrofotografie im Gelände wünscht man sich leichtes Equipment, eine DSLR mit Lupen-Objektiv und Ringblitz und eventuell Stativ mit Einstellschlitten zur Aufnahme von Fokus-Serien für die Stapelverarbeitung bedeutet aber schweres Gepäck. Wer Gewicht sparen will, sollte z. B. die Website von Sebastian Hess besuchen, der mit einem von ihm entwickelten Vorsatz für DSLR oder kompakte Digitalkameras, genannt "Magniflash", den Kamera-eigenen Blitz verwendet. Die damit erzielten Ergebnisse sprechen für sich. Klassischer Lupen-Objektive mit RMS-Gewinde-Adapter an kompakten Systemkameras mit Objektiv-Bajonett und LED-Beleuchtung (s. o.) bieten sich ebenfalls als leichtgewichtige Lösung an.

DSLR am Mikroskop? Ab Vergrößerungen von ca. 100x, spätestens jedoch bei 400x stellt man fest, dass die DSLR als Mikroskopkamera einen (buchstäblich) schwerwiegenden Nachteil hat. Den Klappspiegel kann man zwar vorauslösen und somit als Schwingungsquelle beherrschen, aber der Schlag des Schlitzverschluss-Vorhanges ist derart stark, dass wenige Modelle kaum und viele gar nicht als Mikroskopkamera taugen, es sei denn, man rüstet das Mikroskop mit einer Blitzeinrichtung aus. Einige DSLR-Modelle ermöglichen ein Auslösen Vorhangschlag-freies Auslösen aus der "Live View" und kommen damit in ihrer Eignung für die Mikrofotografie den echten Mikroskopkameras (s.u.) schon sehr nah. Ohne Blitz kann man sich bei unbewegten Objekten ansonsten mit langen Belichtungszeiten im Bereich 100ms und länger behelfen, die also deutlich länger sind als die Ausschwingungszeit des Gesamtsystems. Praktische Tipps zum Aufbau einer Blitzeinrichtung findet man u. a. auf den Websites von mikroskopischen Vereinigungen. Sollte hierbei ein Zerlegen kommerzieller Blitzgeräte erforderlich sein, sind zwingend Fachkenntnisse im Umgang mit Hochspannung erforderlich!

Eine Kompaktdigitalkamera mit festem Objektiv bedeutet zwar "mehr Glas im Strahlengang", aber aufgrund ihres leichten und wenig Schwingungen erzeugenden Verschlusses (sternförmig angebrachte und bewegte Lamellen, deren Trägheiten sich weitgehend neutralisieren) ermöglicht sie gute Ergebnisse. Anstatt mehrerer, unbefriedigender Versuche, kommerzielle "Consumer-Kameras" ans Mikroskop zu adaptieren, sollte man den Kauf einer "echten" Mikroskopkamera ohne mechanischen Verschluss in Erwägung ziehen - die Gesamtkosten sind letztlich geringer, die mitgelieferte Steuersoftware ist extra für die Mikrofotografie programmiert worden und oft mit sinnvollen Bildbearbeitungsmodulen ausgestattet (Flatfield-Berechnung, Farbkanaltrennung, Bildaddition, Stapelbildverfahren, Dunkelstromabzug...), deren Aufgaben man andernfalls nur durch sequentielle Anwendung verschiedener Computerprogramme erledigen kann. Eine Mikroskopkamera mit einem Drei-Megapixel-Sensor ist für die Mikrofotografie ausreichend, mehr Bildpunkte sind aufgrund der Numerischen Apertur der Ojektive, insbesondere bei hohen Vergrößerungen, gar nicht erforderlich.