Bilderfassung und -bearbeitung

Metzgeria conjugata, Thallusunterseite; Foto: Stapper
Metzgeria conjugata, Thallusunterseite; Foto: Stapper

Steigerung der Schärfentiefe

Ein Kameraobjektiv bildet, je nach Einstellung, Objekte nur innerhalb eines bestimmten Entfernungsbereiches scharf ab, den man auch Schärfentiefe nennt. Je offener die Blende, desto geringer die Schärfentiefe, was man auch zur Hervorhebung der wichtigsten Gegenstände in einem Bild nutzen kann. Bei der Makrofotografie von Moosen wünscht man sich aber meist eine große Schärfentiefe, was sich durch Schließen der Kamerablende zwar leicht erreichen lässt, allerdings beugungsbedingt stark zu Lasten der Bildauflösung innerhalb der Schärfentiefe. Die meisten Makroobjektive zeichnen bei ca. Blende 4 bis 5,6 am schärfsten, d. h. ihre xy-Auflösung ist hier optimal, Farbfehler und Randabschattung gering, die Schärfentiefe allerdings auch. Ab etwa (nomineller) Blende 11 wird der Verlust an xy-Auflösung erkennbar, und häufig ist die dann erreichte Schärfentiefe ("z") noch unbefriedigend. Erst die digitale Fotografie hat es möglich gemacht, eine Fokusserie aus vielen Bildern zu einem einzigen, xy-scharfen Bild mit hoher Schärfentiefe zu kombinieren. Das nebenstehende Makrofoto der Thallusunterseite von Metzgeria conjugata wurde aus einer Fokusserie von 40 Einzelaufnahmen zu je 6 Millionen Bildpunkten errechnet und weist von oben bis unten durchgehend die Schärfe eines mit (nomineller) Blende 4 angefertigten Fotos auf (Micro-Nikkor 2,8/55, Nikon-Balgengerät PB6, Canon 10D, 8bit-JPG bei niedrigster Kompression, voller Sensor-Auflösung und ISO 100). Je stärker vergrößert das Objekt dargestellt werden soll, desto geringer sind die Abstände der Einzelaufnahmen zueinander. Bei einem Bild wie hier gezeigt beträgt der Abstand 0,1 mm, und mit einem 20 mm-Lupenobjektiv und <2 mm Objektgröße auf der langen Bildkante (>11fache Vergrößerung) sind 0,025 mm Abstand von Bild zu Bild erforderlich (empirisch ermittelt). Mit handelsüblichen Einstellschlitten schafft man derart kleine Intervalle nicht, wohl aber mit einem Mikroskoptischtrieb, wie oben gezeigt.

Für die Bearbeitung der Bilderstapel gibt es verschiedene Programme, von denen mehrere frei über das Internet verfügbar sind, das bekannteste ist CombineZ von Alan Hadley. Die neueste Version heißt CombineZP und läuft stabil unter Windows XP und Vista. » Seite mit Beispielbildern

Das Programm verfügt über Hilfedateien und erklärt sich weitgehend selbst. Hilfreiche Tipps findet man auf mikroskopie.de (einfach den Suchbegriff "combinez" eingeben), im Micscape Magazine (z. B. die Arbeit von K. Lindquist) sowie in einer Newsgroup zum Programm.
Auch Fokusserien von Durchlicht-Mikrofotos (siehe das oben gezeigte Beispiel) oder idealerweise diffus geblitzten Auflicht-Mikrofotos (siehe das Orthotrichum striatum Peristom oben) lassen sich mit Stapelverarbeitungsprogrammen zu sehr scharfen Bildern kombinieren. Hier müssen die Abstände der Bilder zueinander mit steigender Vergrößerung immer kleiner gewählt werden (Größenordnung Mikrometer bei 400x), wozu die Skala der Feinfokussierungs-Einrichtung genutzt werden sollte. Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass kommerzielle Programme auch RAW-Bilder zu fusionieren vermögen, während man mit CombineZP zuvor den Umweg über einen RAW-Konverter beschreiten muss, um die sich bietenden Vorteile zu genießen. Praxistipp: Oft ist der Feinfokusknopf so dünn, dass man ihn kaum in kleinen Winkeln reproduzierbar verstellen kann. In diesem Fall hilft es, einen Hebel daran anzubringen, z. B. eine Wäscheklammer, die man leicht um den gewünschten Winkel drehen kann.
Weitere Artikel zum Thema z. B. von John Hart (2003), Jörg Piper (2007) oder Janssens et al. (2008). Für automatisierte Stapelbildaufnahmen siehe Frahm, J.-P. & Stapper, N.J., 2010: Automatisch viel Schärfentiefe - Automatisierte Stapelaufnahmen in der Makrofotografie. - NaturFoto 2/2010, 72-74. oder Frahm, J.-P. & Stapper, N.J., 2010: Eine automatische Stack-Einrichtung für Mikroskope. - Mikrokosmos 99 (3), 177 - 180. Sehr empfehlenswert ist auch der Beitrag von Henk Siebel in der Buxbaumiella (niederländisch).

DRI, HDR

Diese bislang in der Mikrofotografie selten verwendeten Verfahren dienen der Erzeugung eines Bildes mit sehr hohem Kontrastumfang (High Dynamic Range Image, HDRI) aus einer Serie unterschiedlich lang belichteter Einzelaufnahmen mit geringem Kontrastumfang - also den "üblichen" 8bit-Bildern kommerzieller Digitalkameras. Neben kommerziellen Programmen gibt es auch sehr leistungsfähige Open-Source-Programme, mit denen man dies bewerkstelligen kann. Als ein Beispiel genannt sei QTPFSGUI, das inzwischen "Luminance HDR" genannt wird (August 2012; Version 2.3.0). Die Steuerprogramme einiger professioneller Mikroskopkameras verfügen von Hause aus bereits über dieses Verfahren. Wenn in diesem Kapitel bisher nur von Aufnahmen in 8bit-Formaten die Rede war, dann nur deshalb, weil die meisten zur Stapelverarbeitung eingesetzten Programme nur 8bit-Bilddateien verarbeiten können. Grundsätzlich sollte man immer im kameraspezifischen RAW-Format fotografieren, weil mit diesen 12- oder gar 16-bit-Formaten im Nachhinein viel mehr Möglichkeiten zur Korrektur bestehen. Zur langfristigen Speicherung dieser Bilder ("elektronische Negative") bietet sich dann das Format DNG an.

Orthotrichum obtusifolium; Foto: Stapper
Orthotrichum obtusifolium; Foto: Stapper

Aufhellung einer Bildfeldverdunklung zu den Ecken hin - "Flatfielding"
Häufig erkennt man auf Fotos zu den Bildecken hin eine Abnahme der Helligkeit, überhaupt wird ein gleichmäßig weißes, planes Objekt praktisch nie über das ganze Bild hin gleichmäßig hell dargestellt. Grund dafür ist u. a. eine ungleichmäßige Ausleuchtung des Objektes, Verunreinigungen oder Einengungen im Strahlengang oder auch kleine Abweichungen von der optischen Achse. Ein Abbe-Kondensor leuchtet das Bildfeld sogar für jede Spektralfarbe unterschiedlich aus: Man fertige ein Mikrofoto ohne Objekt an und streiche in einem Bildbearbeitungsprogramm mit dem Cursor darüber, um zu erkennen, wie sich die Werte der einzelnen Farbkanäle unterschiedlich verändern! Aus diesem Grund sollte man die Leuchtfeldblende besser etwas weiter öffnen, als für eine korrekte Köhlersche Beleuchtung erforderlich ist. Beheben kann man diesen mit den Augen meist nicht wahrnehmbaren Bildfehler, indem man ein solches Mikrofoto durch ein sogenanntes Flatfielbild dividiert, das bei exakt dergleichen Einstellung aufgenommen wurde, also Blendeneinstellung identisch, Objektträger, Decklas Medium im Strahlengang, aber kein Objekt oder eine Verunreinigung. Da dieses Verfahren bei der Fotografie astronomischer Objekte unabdingbar ist, enthalten alle dort verwendeten Computerprogramme (z. B. das frei verfügbare, sehr leistungsfähige und mit Hilfen versehene Programm IRIS von Christian Buil) diesen Rechenschritt, man muss, je nach Programm, allenfalls das Bild in ein anderes Format überführen. Auch auf Makrofotos lassen sich Bildfehler infolge inhomogener Ausleuchtung auf diese Weise beheben. Simulieren lässt sich das Verfahren auch mit den Ent-Vignettierungstools moderner Bildbearbeitungsprogramme, aber die damit erreichbare Aufhellung der Bildecken ist eher kosmetischer Natur, weil das Programm nicht die tatsächliche Inhomogenität der Beleuchtung berücksichtigt!

"Verrauschte" Langzeitaufnahmen: Abzug des Dunkelstroms

Für kurz belichtete Aufnahmen ist dieser Absatz ohne Belang. Lang belichtete Digitalfotos jedoch zeigen insbesondere in dunklen Bildpartien helle ("heiße") Pixel, deren Ursache die spontane Freisetzung von Ladungsträgern ist und die man durch Kühlen der Kamera reduzieren, aber nicht völlig unterbinden kann (Peltierkühlung professioneller Mikroskopkameras für Dunkelfeld-, Fluoreszenz- oder Biolumineszenzanwendungen). Da dieser "Dunkelstrom" für jeden Sensor individuell und weitgehend gleichbleibend ist, kann man den daraus resultierenden Bildfehler leicht beheben. Man muss bei gleicher Temperatur lediglich ein ebenso lang belichtetes Bild aufnehmen und dieses vom "verrauschten" Bild subtrahieren. Auch dieses Verfahren ist in der Astrofotografie ein unverzichtbarer, erster Bearbeitungsschritt der Rohbilder, der in den Menüs aller Programme enthalten ist (siehe auch hierzu IRIS von Christian Buil). Wahrscheinlich alle aktuellen DSLR und auch einige kompakte System-Digitalkameras können dies selbst erledigen, d. h., sie fertigen nach dem eigentlichen Foto selbständig ein ebenso belichtetes "Dunkelbild" an, mit dem sie das Dunkelstrom-behaftete "Rohfoto" korrigieren.