Das Filzige Haarkelchmoos (Trichocolea tomentella) ist das Moos des Jahres 2025
Das Filzige Haarkelchmoos bildet grüne bis gelbgrüne lockere Decken von samtigem oder schwammigem Aussehen an sehr feuchten Standorten in Wäldern. Durch die feine Fiederung und das samtige Aussehen ist das wohl schönste heimische Lebermoos an diesem Standort kaum zu verwechseln.
Aussehen
Das Lebermoos bildet bis zu mehrere Quadratdezimeter große, grüne bis gelbgrüne, lockere Decken auf dem Waldboden, oft vermischt mit anderen Moosen. Die einzelnen Pflanzen sind regelmäßig 2‒3-fach gefiedert, wobei die Äste fast rechtwinklig vom Stämmchen abstehen. Das samtige Aussehen resultiert aus den fein zerschlitzten Blättchen, die zusammen mit den lang gewimperten Paraphyllien Stämmchen und Äste mit einem regelmäßigen dichten Filz umgeben. Die kriechenden, 5‒10(‒15) cm langen Stämmchen fächern sich an den Enden mit ihren Ästchen wedelartig auf und erreichen dort eine Breite von bis zu 2 cm. Die am Stämmchen locker, an den Ästchen dicht unterschlächtig gestellten Blättchen sind in 4‒5 schmale, am Grunde nur wenige Zellen breite Blattlappen geteilt, die wiederum in 1‒2-fach verzweigte, dann einzellreihige Wimpern zerteilt sind. Die zweihäusige Art findet sich nur selten mit Sporogonen, denen ein Perianth fehlt.
Verwechslungen sind allenfalls mit einer der beiden Arten der Federchenmoose (Ptilidium) möglich, die aber aus insgesamt kleineren, nicht so regelmäßig 1‒2-fach geteilten Pflanzen bestehen; diese sind meist auch nicht rein grün, sondern gebräunt bis kupferfarben überlaufen. Sie kommen zudem an trockeneren Standorten vor, P. ciliare am Boden oder auf Rohhumus in Zwergstrauchheiden und Kiefernwäldern, P. pulcherrimum auf Totholz und an Stammbasen überwiegend von Nadelbäumen. Den habituell etwas ähnlichen Tamarisken-Thujamoos (Thuidium tamariscinum) fehlt das samtige Aussehen, da es keine fein zerschlitzten Blättchen aufweist.
Ökologie
Trichocolea tomentella liebt es feucht und schattig. Außer in den besonders luftfeuchten Lagen der höheren Gebirge, wo die Art auf Waldboden und Totholz vorkommt, ist sie an Wälder mit sumpfigem Boden, Quellhänge oder Bachläufe gebunden. Sie wächst dabei sowohl auf dem Waldboden wie auch auf bodennahem Totholz oder übererdeten Felsen. Bevorzugt werden basenreiche aber kalkarme, schwach saure Standorte. Vergesellschafte ist das Filzige Haarkelchmoos mit anderen feuchtliebenden Arten wie Plagiomnium undulatum, Pellia endiviifolia, Plagiochila asplenioides, Rhizomnium punctatum aber auch Thuidium tamariscinum und großen Eurhynchium-Arten.
In entwässerten Wäldern findet sich die Art, wenn überhaupt, nur noch an den Rändern der Bach- bzw. Grabenufer.
Verbreitung und Gefährdung
Das Filzige Haarkelchmoos zeigt eine fast weltweite Verbreitung, wobei die Schwerpunkte in Nordamerika, Europa und Südostasien liegen, während Südamerika, Afrika und Australien mehr oder weniger gemieden werden.2) In Europa zeigt die Art eine subozeanische Verbreitung und meidet sowohl den hohen Norden wie den extremen Süden fast völlig. Sie kommt in einem mehr oder weniger geschlossenen Areal von Nordspanien und Mittelitalien sowie Korsika bis nach Schottland und ins südliche Skandinavien vor, jeweils mit disjunkten Vorposten. In der West-Ost-Richtung erstreckt sich die europäische Verbreitung von Irland und Portugal bis zum Kaukasus und nach Karelien. In Mitteleuropa liegen die Schwerpunkte des Vorkommens in den Mittelgebirgen und in den Alpen, wenn sie auch in der Ebene nicht völlig fehlt. Eine Verbreitungskarte für Deutschland findet sich bei Meinunger & Schröder (2007), in der sich die Bindung der aktuellen Funde an die Gebirge zeigt.
Für den Rückgang der Art sind in erster Linie die Entwässerung der Wälder sowie der Umbau in Nadelholzmonokulturen und die damit verbundene Versauerung zu nennen. Die weitere Versauerung großer Teile der Böden Mitteleuropas durch die sauren Niederschläge in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts hat ein Übriges getan. Die öfters zu beobachtenden kleinen Restbestände der Art an Waldbächen und -gräben sind selten überlebensfähig und verschwinden einer nach dem anderen.
In der deutschen Roten Liste der Moose (Caspari et al. 2018) ist die Art als „gefährdet“ (3) eingestuft, während sie in der Roten Liste der Lebermoose Österreichs (Saukel & Köckinger 1999) nicht erscheint. Die Rote Liste der Moose der Schweiz stuft die Art als „potenziell gefährdet“ (NT) ein.
Biologie
Trichocolea tomentella ist zweihäusig, d.h. es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Da erstere in Mitteleuropa sehr selten sind, kommt es auch kaum zur Sporogonbildung. Nach Schoepe (2005) wurden nach 1900 in Baden-Württemberg keine Sporogone mehr beobachtet. So kann nur noch eine (ineffektive) Nahverbreitung über Sprossbruchstücke erfolgen. Eine Neubesiedlung von Lebensräumen ist damit sehr schwierig geworden.
Links im Web
https://www.gbif.org/species/2689242
https://de.wikipedia.org/wiki/Filziges_Haarkelchmoos
https://www.swissbryophytes.ch/index.php/de/beschreibung?taxon_id=nism-481
https://www.britishbryologicalsociety.org.uk/learning/species-finder/trichocolea-tomentella/
Literatur
Caspari, S., Dürhammer, O., Sauer, M. & Schmidt, C. 2018. Rote Liste und Gesamtartenliste der Moose (Anthocerotophyta, Marchantiophyta und Bryophyta) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70(6): 361–489.
Düll, R. & Düll-Wunder, B. 2008. Moose einfach und sicher bestimmen. ‒ Quelle & Meyer, Wiebelsheim, 471 S.
Meinunger, L. & Schröder, W. 2007. Verbreitungsatlas der Moose Deutschlands. − 3 Bde., Regensburg.
Müller, K. 1951-1958. Die Lebermoose Europas, 3. Aufl. — In: L. Rabenhorst, Kryptogamen-Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz. Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig, Leipzig. 6: 1365 S.
Saukel, J. & Köckinger, H. 1999. Rote Liste gefährdeter Lebermoose (Hepaticae) und Hornmoose (Anthocerotae) Österreichs. ‒ In: Niklfeld, H (Hrsg.). Rote Listen gefährdeter Pflanzen Österreichs: 172‒177.
Schoepe, G. 2005. Trichocoleaceae. – In: Nebel, M. & Philippi, G. (Hrsg.) Die Moose Baden-Württembergs, Bd. 3: 381‒383.
Bilder von Trichocolea tomentella
Trichocolea tomentella, Gamlitz, Steiermark, 2024 (Foto: Christian Berg).
Trichocolea tomentella, Kehrer Wald, Steiermark, 2018 (Foto: Christian Berg).
Trichocolea tomentella, als Herbarbeleg im trockenen Zustand, Messbalken = 1 mm (Foto: Norbert Stapper).
Trichocolea tomentella, Herbarbeleg: mikroskopische Aufnahmen einzelne Blattfäden (Foto: Norbert Stapper).
Trichocolea tomentella, Taubenberg, Oberbayern, 2005 (Foto: Wolfgang von Brackel).
Trichocolea tomentella, Taubenberg, Oberbayern, 2005 (Foto: Wolfgang von Brackel).
Trichocolea tomentella, Neumarkt, Oberpfalz, 2013 (Foto: Wolfgang von Brackel).
Trichocolea tomentella, Neumarkt, Oberpfalz, 2013 (Foto: Wolfgang von Brackel).