Ctenidium molluscum
Weiches Kammmoos - Ctenidium molluscum
Foto: Heike Hofmann   

Die Besiedlung von Kalkfelsen – insbesondere der steilen und besonnten Partien – stellt für die meisten Pflanzen und andere photosynthetisch aktive Organismen eine kaum zu meisternde Herausforderung dar. Fehlender Wurzelraum, Nährstoffarmut, Trockenheit und starke Sonneneinstrahlung ermöglichen es nur einigen Spezialisten, hier Fuß zu fassen.

Während Ritzen und Spalten auch noch von einigen Blütenpflanzen erobert werden können, finden sich an den mehr oder weniger glatten Wänden nur noch Moose, Flechten, Cynobakterien und einige wenige Algen.

Unter den Moosen sind dies vor allem polsterförmig wachsende Arten der Gattungen Kissenmoose (Grimmia) und Spalthütchen (Schistidium), während mattenbildende Arten zumindest kleine Ansatzpunkte in Form von Spalten, Ritzen oder Verebnungen und eine gewisse Beschattung benötigen. Zu letzteren gehört das Weiche Kamm-Moos (Ctenidium molluscum), unser  Moos des Jahres 2017.

Die Extremstandorte der steilen, stark besonnten Wände sind der Lebensraum einer Vielzahl von Flechten, die dank spezieller Anpassungen gegen Austrocknung und Hitze gefeit sind. Neben vielen sehr unauffälligen, teilweise im Gestein lebenden Arten der Gattungen Warzenflechten (Verrucaria, Bagliettoa) oder Zeichenflechten (Opegrapha) sind dies vor allem die leuchtend gelben oder orange-gelben Arten der Gattung Schönfleck (Caloplaca im weiteren Sinne). Einer ihrer Vertreter ist Hepps Schönfleck (Variospora flavescens), unsere Flechte des Jahres 2017.

Caloplaca flavenscens Hohenfels
Hepps Schönfleck (Variospora flavescens) an einem Dolomitfelsen der Fränkischen Alb (WvBrackel)   

Die Lebensgemeinschaften von Kalkfelsen sind in ganz Mitteleuropa außerhalb der Alpen bedroht und bedürfen eines besonderen Schutzes. Neben der direkten Zerstörung durch Straßenbau, Bebauung oder Abbau setzt ihnen die Umwandlung von Laubwäldern in Nadelholzforsten (mit stärkerer Beschattung vor allem in den Wintermonaten) zu. Die allgemeine Eutrophierung durch Stickstoffverbindungen aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie ermöglicht es Sträuchern und Bäumen in den ehemals gehölzfeindlichen Spalten und Ritzen Fuß zu fassen, was zu einer Beschattung und Verdrängung der lichtliebenden Arten führt. Durch die Aufgabe der Wanderschäferei verbuschen Halbtrockenrasen und die hier oft vorkommenden Felsausragungen.

Wegen der starken Bedrohung der Lebensgemeinschaft der Kalkfelsen sind diese im Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU aufgeführt (LRT 8210, Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation). Diese Lebenraumtypen sind "Natürliche Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen".